CO2-Zoll an den Außengrenzen der Europäischen Union –
Ein Erfolg für Frankreich zum Ende seiner EU-Ratspräsidentschaft?

Angesichts der zunehmenden extremen Wetterereignisse in Frankreich und Europa bekommt der Klimawandel in Politik und Medien einen immer höheren Stellenwert. Der Schutz des Klimas ist auch ein zentrales Anliegen der neu gewählten Regierung in Frankreich – mit dem Willen sich von der letzten Amtszeit abzusetzen. Allerdings kündigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bereits Ende 2021 an, den Kampf gegen die Klimaerwärmung ins Zentrum der französischen EU-Ratspräsidentschaft zu rücken.

Nach mehr als einem Jahr der Debatten in Brüssel haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments wenige Tage vor dem Ende der französischen EU-Ratspräsidentschaft einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die globale Klimaerwärmung getan: Die Einführung eines CO2-Zolls an den Außengrenzen der Europäischen Union.

 

CO2-Zoll: Warum und für wen?

Mit dem CO2-Zoll an den Außengrenzen – auch CO2-Grenzausgleichssystem genannt – setzt die EU bei Einfuhren bestimmter Waren aus Drittländern einen CO2-Preis fest. Die Regelung ist ein Kernelement des Europäischen Grünen Deals („Green Deal“), den die Europäische Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen mit dem Ziel ins Leben gerufen hat, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Das CO2-Grenzausgleichssystem sieht vor, einen Emissionsgrenzwert festzulegen, ab dem Güter, die von Unternehmen mit hohem Kohlenstoffausstoß produziert werden, Steuern zahlen müssen.

Mit dem Ziel, die Kohlenstoffemissionen in Europa zu reduzieren, hatte die EU bereits 2005 ein System für den Austausch von Emissionsquoten eingeführt, das European Union Emissions Trading System (EU ETS). Mit dem neuen CO2-Zoll werden die bislang kostenlosen und jährlich verteilten Emissionsgenehmigungen bei Einfuhren aus Nichtmitgliedsstaaten der EU in Zukunft kostenpflichtig. Damit soll verhindert werden, dass die Produktion in Länder außerhalb der EU verlagert wird, die weniger strenge Umweltstandards und Emissionsvorschriften haben. Dies hätte neben einer Verlagerung der Treibhausgasemissionen, dem sogenannten „Carbon Leakage“, auch den Abbau von Arbeitsplätzen zur Folge. Das CO2-Grenzausgleichssystem greift dem vor, indem es die gleichen Umweltstandards für Unternehmen außerhalb der EU vorschreibt und den Kohlenstoffgehalt von Importen besteuert. Dadurch wird auch die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten bewahrt.

Die Idee eines solchen Systems ist nicht neu. Sie kam erstmals in den 1990er Jahren auf. Doch erst 2021 – knapp drei Jahrzehnte später – griff die Europäische Kommission die Idee wieder auf. Zunächst soll der Zoll auf Einfuhren von Produkten aus fünf Branchen mit dem höchsten Kohlenstoffausstoß erhoben werden: Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel und Elektrizität. Die Europäische Kommission stieß dabei jedoch relativ schnell auf ein Hindernis: die große Heterogenität der Klimapolitik und -ambitionen der 27 Mitgliedsstaaten.

In der Theorie würde der CO2-Zoll basierend auf dem Modell des Systems für den Austausch von Carbon-Emissionsquoten berechnet, das heute für in Europa ansässige Unternehmen angewandt wird. Dieses muss jedoch zunächst reformiert werden, bevor es auf Nichtmitgliedsstaaten angewendet werden kann. Derzeit sieht es nämlich vor, dass Unternehmen in Branchen, die aus Wettbewerbsgründen als „unter Druck stehend“ bezeichnet werden, kostenlose CO2-Emissionsgenehmigungen erhalten. Die Einführung des CO2-Grenzausgleichssystems wird somit zu einem schrittweisen Ende dieses Vorgehens führen. Insbesondere Schwellenländer hatten die Sorge geäußert, in Folge des Protektionismus europäischer Unternehmen benachteiligt zu werden.[1] Vor allem China beklagte ab 2021 eine Verzerrung des Wettbewerbs und eine Nichteinhaltung der WTO-Regeln.

Das CO2-Grenzausgleichssystem soll Anfang 2023 in Kraft treten, während die kostenlosen Genehmigungen schrittweise auslaufen würden. Der Mechanismus könnte zudem auch auf andere Sektoren, wie z. B. landwirtschaftliche Güter, ausgeweitet werden.

 

Ein „Erfolg“ für Frankreich zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft, die von unvorhersehbaren Ereignissen geprägt war

Obwohl die französische EU-Ratspräsidentschaft durch den Krieg in der Ukraine stark beeinträchtigt wurde, konnten Fortschritte in der Digitalisierung, im Gesundheitswesen, aber auch für die Umwelt erzielt werden. Der CO2-Zoll wurde von den meisten Medien als „Sieg für Paris“ und „europäische Trophäe[2] für Emmanuel Macron beschreiben. Genug, um die Präsidentschaft mit einer positiven Note abzuschließen. „Zum ersten Mal wird das Klima zu einer Determinante der internationalen Handelsbeziehungen“, hatte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire betont.

Ein wichtiger Schritt war bereits am 15. März 2022 erreicht worden, als die Wirtschaftsminister der EU-Mitgliedsländer eine Einigung erzielten[3], ohne jedoch eine Lösung bezüglich des Endes der berühmten kostenlosen Emissionsgenehmigungen zu finden. Am 8. Juni folgte dann der Showdown: Der Text wurde mit den Gegenstimmen von 340 Europaabgeordneten (265 dafür, 34 Enthaltungen) abgelehnt. Die Linken und die Grünen hielten den Zeitplan und die Ziele für „nicht ehrgeizig genug[4]. Der Text wurde schließlich am 22. Juni vom Parlament verabschiedet, nachdem die drei großen Fraktionen (EVP, Renew, S&D) einen Kompromiss hinsichtlich des Zeitplans gefunden hatten. Dieser sieht das Ende der kostenlosen Genehmigungen ab 2032 vor.

Dennoch gibt es weiterhin mehrere Punkte, bei denen Uneinigkeit besteht. Zunächst befürchten viele europäische Industrieunternehmen einen Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit und Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen. Unterschiedliche Ansichten gibt es auch über die Verwendung der Einnahmen aus dem CO2-Grenzausgleichssystem, das der EU jährlich etwa 1 Milliarde Euro einbringen soll. Ende 2020 schrieben der französische Wirtschaftswissenschaftler Jean Pisani-Ferry und der Präsident des Deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts IFO Clemens Fuest in einem Bericht für die EU-Finanzminister (EcoFin), dass es sinnvoll wäre, diese Einnahmen für die Rückzahlung des europäischen Konjunkturprogramms[5] zu verwenden. Ein Vorschlag, der sich schlussendlich  durchsetzte. Bislang konnte jedoch nicht geklärt werden, wie die Einnahmen aus dem Ende der kostenlosen Genehmigungen verwendet werden sollen. Die meisten EU-Mitgliedsstaaten würden diese Einnahmen gerne direkt in ihre Kassen lenken, während die Europäische Kommission 25% davon dem EU-Haushalt zuweisen möchte.

Der Europaabgeordnete Pascal Canfin (Renew) schlug darüber hinaus vor, die Einnahmen wieder zu investieren, um Unternehmen bei ihrem Dekarbonisierungsprozess zu unterstützen. Ein französischer Vorschlag sah auch die Einrichtung eines Europäischen Sozialfonds für den Klimaschutz[6] vor, der Haushalte mit niedrigem Einkommen bei ihrem Energieverbrauch unterstützen soll. Ein Vorschlag, den Deutschland ablehnte, da es einer zusätzlichen Umverteilungsanstrengung nicht zustimmen wollte.

Dennoch kann die Zustimmung Deutschlands zum CO2-Grenzausgleichssystem nach jahrelangem Widerstand als Sieg gewertet werden – für das Klima ebenso wie als französischer, europäischer und deutsch-französischer Erfolg. In der Tat wurde das Projekt eines CO2-Zolls an den Außengrenzen der EU auf der anderen Seite des Rheins nicht immer positiv aufgenommen. Schon 2020 befürchtete Deutschland, dass eine solche Steuer von China, einem seiner wichtigsten Exportpartner, negativ wahrgenommen werden könnte und dass das CO2-Grenzausgleichssystem generell seine Exportfähigkeit und damit seine Wirtschaft beeinträchtigen würde. „Am Ende des Tages findet man zwischen Frankreich und Deutschland immer Lösungen[7], so die damalige zuversichtliche Einschätzung von Bruno Le Maire. Es scheint, dass die Zukunft ihm Recht gegeben hat. Weit über ihren Symbolcharakter hinaus war die Unterstützung Deutschlands entscheidend für die Annahme des allgemeinen Rahmens des CO2-Grenzausgleichssystems.

Auf dem G7-Gipfel schlug Bundeskanzler Olaf Scholz sogar die Gründung eines „Klima Clubs“ vor, der die „ehrgeizigen“ Länder im Kampf gegen die globale Erwärmung vereinen und der das CO2-Grenzausgleichssystem ergänzen würde[8]. Ein ermutigendes Signal für die nächsten Schritte des Projekts und für die deutsch-französische Solidarität, die ein wichtiger Motor für Fortschritte beim Klimaschutz in der EU ist.

 

[1] Le Monde, « La taxe carbone aux frontières présente des risques ignorés de délocalisation », 8. Juni 2022
[2] Les Echos, Feu vert des Etats européens à la taxe carbone aux frontières, 15. März 2022
[3] Présidence française de l’UE, Accord au Conseil sur le Mécanisme d’ajustement carbone aux frontières (MACF), 15. März 2022, https://presidence-francaise.consilium.europa.eu/fr/actualites/accord-au-conseil-sur-le-mecanisme-d-ajustement-carbone-aux-frontieres-macf/
[4] Les Echos, Climat : les eurodéputés s’opposent à la réforme du marché carbone, 8. Juni 2022
[5] IFO Institute, Jean Pisani-Ferry et Clemens Fuest plaident pour un financement de l’UE via le commerce de carbone, 11. September 2020, https://www.ifo.de/en/node/58024
[6] Parlement européen, Un Fonds social pour le climat pour soutenir les citoyens touchés par la précarité en matière d’énergie et de mobilité, 18. Mai 2022, https://www.europarl.europa.eu/news/fr/press-room/20220516IPR29635/un-fonds-social-pour-le-climat-pour-aider-les-citoyens-touches-par-la-precarite
[7] Le Figaro mit AFP, Taxe carbone européenne : les Allemands « hésitants » à cause de la Chine, selon Bruno Le Maire, 12. Oktober 2020
[8] Euractiv, Olaf Scholz rallie les pays du G7 à son projet de « club climat », 28. Juni 2022

 

Léa-Marine Simon – 18. Juli 2022