Die Politik sollte mehr Anreize setzen, die Eisenbahn zu nutzen – warum Frankreich hinterherhinkt!
4 Gramm: Das ist die Menge an Treibhausgasen, die Fahrgäste pro Zug-Kilometer ausstoßen. Bei einer Flugreise entsteht 65 Mal und bei einer Autofahrt 26 Mal mehr CO2. Der Verkehrssektor steht in Frankreich für 31% der Treibhausgas-Emissionen. Als größter Emittent der Sektoren (Verkehr, Wärme, Stromproduktion) zielt die nationale und europäische Klimapolitik darauf ab, hier CO2 zu reduzieren, insbesondere durch den „Green Deal“ der Europäischen Kommission. Dabei spielt die Förderung des Zugverkehrs eine wichtige Rolle, um das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5° zu begrenzen, auch zu erreichen.
Neben den Klimafragen ist die Mobilität auch ein Thema der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit: Projekte für ein europäisches E-Ticket, Nachtzüge, Klimatickets: Die EU-Länder übertreffen sich im Einfallsreichtum, um mehr Fahrgäste dazu zu bewegen, mit dem Zug zu fahren. Warum scheint Frankreich hier etwas hinterherzuhinken? Könnte die Eisenbahnpolitik in einer Zeit, in der das deutsch-französische Paar zusammenzubrechen scheint, einen Weg der schnellen (Wieder)Annäherung darstellen?
Die Eisenbahn in Frankreich: Einige Kennzahlen
Im Jahr 2019 wurden 10,4% aller Fahrten im Hexagon mit der Eisenbahn zurückgelegt, während der Durchschnitt der EU-Länder 8,1% betrug, Deutschland auf 9,4% Zugfahrten und Österreich auf 12,9% kommt.
Mit durchschnittlich 45 €, die pro Kopf in die Eisenbahninfrastruktur investiert werden, liegt Frankreich jedoch weit hinter seinen Nachbarn wie Italien (103 €) und Deutschland (124 €) zurück, obwohl die Investitionen in den letzten fünf Jahren um das Dreifache gestiegen sind und noch weiter erhöht werden sollen. „Es muss mehr getan werden“, sagte die französische Premierministerin, Elisabeth Borne, Mitte November und kündigte die Absicht der Regierung an, in die Renovierung der Infrastruktur „des täglichen Lebens“ zu investieren und das Schienennetz zu modernisieren.
Was die Preise angeht, so sind die öffentlichen Verkehrsmittel in Frankreich im Wesentlichen genauso teuer wie anderswo. Ein Monatsticket kostet in Paris etwa 75 €, der Preis könnte aber bis 2023 auf 84 € steigen, während es in Berlin durchschnittlich 86 € kostet. Doch die Preise für Zugtickets der SNCF sind zwischen April 2021 und April 2022 um 14,6 % gestiegen. Und dabei wird es wohl nicht bleiben. Die SNCF hat für 2023 bereits eine durchschnittliche Preiserhöhung von 5% angekündigt, die mit dem rasanten Anstieg der Strompreise (+180%) und der Gesamtkosten (+13%) begründet wird.
Anreize, den Zug zu nehmen: Deutschland und Österreich als Vorreiter
Österreich, das bis 2040 klimaneutral werden will, hat 2021 als erstes EU-Land ein Klimaticket eingeführt, mit dem die Einwohner für 3 € pro Tag bzw. 1.095 € pro Jahr auf allen Strecken überall im Land mobil sein können. Fast 180.000 Abonnements wurden für diese Flatrate abgeschlossen, und das bei insgesamt 9 Millionen Einwohnern. Dieses Ticket bedeutet eine Anfangsinvestition von 240 Millionen Euro mit laufenden Kosten von 150 Millionen Euro pro Jahr. Für den Zeitraum 2022 bis 2027 hat Österreich insgesamt 18,2 Milliarden Euro für den Zugverkehr vorgesehen.
Ein Erfolg, der Deutschland inspiriert hat: Erst letzten Sommer hat das Nachbarland Frankreichs drei Monate lang ein Monatsticket für 9 € für den gesamten Nah- und Regionalverkehr getestet, wobei der Fernverkehr jedoch nicht eingeschlossen war. Deutschlandweit gab es 52 Millionen Fahrgäste, die insgesamt 3 Milliarden Zugfahrten unternahmen und damit über 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart haben! Der einzige Wermutstropfen: Es gab nicht weniger Staus auf den deutschen Straßen durch das 9 €-Monatsticket für Regionalzüge. Außerdem hat dieses Angebot den Stadtzentren, die gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind, viel mehr genutzt als den ländlichen Gebieten mit einem schlecht ausgebauten Bus- und Schienennetz.
Die Bundesregierung hat sich gerade mit den Ländern darauf geeignet, ein unbegrenztes Monatsticket für Regionalzüge einzuführen (49 € pro Monat). Das sogenannte „Deutschlandticket“ ist einigen Verbraucherverbänden noch zu teuer, um „seinen Zweck für soziale Gerechtigkeit zu erfüllen“. Zumal die Fahrkartenpreise für Fernzüge, die das Abonnement des Deutschlandtickets nicht beinhaltet, zum Jahresende wieder steigen (+4,9%). Die Verkehrsunternehmen ihrerseits begrüßen die allgemeine Einführung des Deutschlandtickets, erwarten jedoch vom Bund, dass er eventuelle Verluste und zusätzliche Kosten zu 100% ausgleicht.
In Frankreich beginnt sich diese Idee, erst langsam durchzusetzen: Die Region Okzitanien hat gerade angekündigt, an den ersten Wochenenden jedes Monats sowie bei Smog-Alarm eine Zugfahrt für 1 € anzubieten. Seit einigen Monaten wird dieses Angebot bereits erste Tests. Die Kosten werden auf 2 Millionen € jährlich geschätzt. Pro Wochenende sollen dadurch fast 350 000 Liter Benzin eingespart werden. Für die Vorsitzende der Region, Carole Delga, sind diese Zugtickets für 1 € gleichzeitig eine Antwort auf soziale Ungerechtigkeiten und die Klimakrise. Der Zug, der bereits als umweltfreundliche Alternative zum Flugzeug auf der Langstrecke und das Auto ebenfalls auf kürzeren Strecken ersetzen kann, wird angesichts der grassierenden Inflation noch attraktiver.
Paris-Berlin in 7 Stunden: Wie die EIsenbahn die deutsch-französische Annäherung beschleunigt
„Reisen und Austausch bilden das Herzstück der deutsch-französischen Annäherung. Dies ist eine wichtige Etappe unserer gemeinsamen Ambitionen für das europäische Aufbauwerk und den ökologischen Wandel“, erklärte der französische Verkehrsminister, Clément Beaune, anlässlich des Besuchs seines deutschen Amtskollegen Volker Wissing.
Die beiden Minister hatten kürzlich die Einrichtung eines deutsch-französischen Jugendtickets angekündigt, das dazu beitragen soll, „die Verbindungen zwischen beiden Ländern zu stärken“. Volker Wissing sagte: „Um unsere Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, müssen wir noch mehr Menschen davon überzeugen, mit dem Zug zu reisen. Wir müssen deshalb attraktive Angebote bieten“. Die Modalitäten für dieses Ticket sollen bis zur Tagung des Deutsch-Französischen Ministerrats festgelegt werden, der auf Januar 2023 verschoben wurde.
Ein weiteres Projekt ist die Einführung einer direkten Zugverbindung zwischen Paris und Berlin bis Ende 2023, die nur sieben Stunden dauern soll. Derzeit dauert eine Fahrt fast achteinhalb Stunden mit einem Umstieg. „Wir stellen heute fest, dass die Zugverbindungen Paris-Mailand und Paris-Barcelona erstaunliche Belegungsquoten haben: Bei Paris-Mailand hat sich das Angebot seit der Ankunft von Trenitalia verdoppelt, und trotzdem sind die Züge voll“, schwärmte der SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou, der die Hoffnung auf einen ähnlichen Erfolg bei der künftigen Schnell-Verbindung Paris-Berlin hegt. Es soll auch eine Nachtzugverbindung angeboten werden, die von der österreichischen ÖBB – dem europäischen Marktführer im Nachtzugbereich – in Zusammenarbeit mit der SNCF und der Deutschen Bahn betrieben werden wird.
Der Nachtzug erlebt in der Tat ein Comeback in Europa, insbesondere mit der Strecke Paris-Wien, die von der ÖBB im Dezember 2021 wieder in Betrieb genommen wurde. Nach einem Fahrgast-Rückgang in den 1990er Jahren und der Einstellung vieler Strecken vor etwa 10 Jahren aufgrund der wachsenden Bedeutung der Billig-Fluglinien war die österreichische Bahngesellschaft eine der ersten, die ab 2016 ehemalige Nachtstrecken wieder betrieben hat. So hat sich das Geschäft mit den Nachtzügen wiederbelebt. Doch trotz der ermutigenden Rückkehr gibt es noch einige Hindernisse zu überwinden, damit die Nachtzugverbindungen wirklich mit dem Flugzeug konkurrieren können: In erster Linie geht es um den Preis! Obgleich sich der Unterschied nicht übermäßig groß ausmacht. Circa 150 € kostet eine Hin- und Rückfahrt von Paris nach Wien mit dem Nachtzug, der Flug im Billigflieger kostet für die gleiche Strecke etwa 120 €. Ein Unterschied, der sich vor allem dadurch erklärt, dass Flugtickets in Europa – im Gegensatz zu Zugfahrkarten – von der Mehrwertsteuer befreit sind. Kerosin, das als internationales Produkt gilt, wird nur sehr gering besteuert. Das ist ein Punkt, den es zu überdenken gilt, wenn der Zug attraktiver werden soll. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit an einem Projekt für ein europäisches Ticket, mit dem man leichter von einem Land ins andere reisen kann und das eine reduzierte Mehrwertsteuer ausweist.
Fazit
Ob Tag oder Nacht, Hochgeschwindigkeitszug, Regionalzug oder Wasserstoffzug – der Eisenbahnverkehr ist heute ein wichtiger Bestandteil der Mobilitätspolitik auf nationaler und europäischer Ebene. Als Eckpfeiler der Politik zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen wird die Bahn in Zeiten der grassierenden Inflation auch als günstigere Alternative zum Auto oder Flugzeug angepriesen. Der notwendige Ausbau des Bahnangebots muss jedoch zahlreiche Herausforderungen überwinden: hohe Preise, veraltete Infrastrukturen, Mangel an Zügen und Personal, massiver Investitionsbedarf, Verwaltungsdickicht und mangelnde Abstimmung der internationalen Angebote. Frankreich, das noch keine wirklichen Anreize geschaffen hat, orientiert sich derzeit an seinen Nachbarn. Wird es seinen eigenen Weg finden? Insbesondere bleibt abzuwarten, wohin die Öffnung für mehr Wettbewerb führen wird, vor allem in Bezug auf die Ticketpreise und mit Blick auf die künftig notwendigen Investitionen.
Quellen
Klima: Hat Frankreich einen angepassten öffentlichen Nahverkehr?
Österreich: ein « Klimaticket » soll die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel fördern
In Österreich und Deutschland ist das „Klimaticket“ ein Erfolg
In Deutschland soll ein landesweit gültiges Bahnticket für 49 Euro im Monat eingeführt werden
Carole Delga führt den 1-Euro-Zug für ein Wochenende in Okzitanien ein
Auf dem Weg zu einem billigeren Zugticket für Jugendliche zwischen Deutschland und Frankreich – Le Parisien
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Verkehrsunternehmen: Für 49-Euro-Ticket braucht es mehr Geld
Klimakonflikte und Luftverkehrschaos: Europas Übernachzüge werden wiederbelebt
Bericht – Förderung des Eisenbahnsektors durch den europäischen Green Deal
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